The Fountainhead (1949)

Architekt Howard Roark steht mit seinen Werten für einen visionären Unternehmer-Typus, einen Start-up-Künstler, dem die eigenen Prinzipien alles und der Markt nichts sind.

Gary Cooper war im alten Hollywood abonniert auf den Mann mit Prinzipien. In The Fountainhead (Ein Mann wie Sprengstoff, 1949) nach dem Roman von Ayn Rand[1] spielt Cooper Howard Roark, einen genialen Architekten, der sich nicht verbiegen lässt. Howard Roark will nicht gefallen, er braucht keine Bestätigung, auch nicht durch einen Auftraggeber.

Er will seine Vision verwirklicht sehen, an die er glaubt.  Lieber arbeitet er im Steinbruch, als seine kühnen Entwürfe anzupassen an Wünsche eines Bauherrn – der ihn und seinen Entwurf ja gerade wegen seiner Modernität ausgewählt hatte. Ein bisschen verspielte Fassade hier oder ein klassizistisches Portal dort in seine Planung aufzunehmen, weil dies angeblich dem Publikum so gefalle oder es einer Bank als vertrauensbildende Maßnahme gut zu Gesicht stünde, ist seine Sache nicht. Dass er sich weigert, sich dem angeblichen Massengeschmack und der Gefälligkeit zu beugen, schneidet ihn nicht nur von Aufträgen ab. Es ruft auch einen Kritiker auf den Plan, der seine Position als Journalist nutzt, um die öffentliche Meinung gegen Roark zu mobilisieren. Aber Roark lässt sich nicht brechen. Lieber sprengt er ein Gebäude in die Luft, das nicht genau so gebaut wird, wie er es geplant hat.[2]

Ein Mann wie Sprengstoff ist die kompromisslose Verteidigung des Individuums und insbesondere seiner schöpferischen Schaffenskraft angesichts von Mehrheitsmeinungen, Durchschnittlichkeit, Unterordnung. Unterordnung und Eingliederung in eine Masse, wie sie in sozialistischen Staatsformen wie der frühen Sowjetunion, aus der die Schriftstellerin Ayn Rand[3] 1926 auswanderte, für erforderlich gehalten wurden, wo die Masse alles und das Individuum wenig galt.

Howard Roark steht mit seinen Werten jedoch auch für einen visionären Unternehmer-Typus, einen Start-up-Künstler, dem die eigenen Prinzipien alles und der Markt nichts sind[4]. Er macht das Spiel nicht mit. Zwar wird er gerade deswegen von seinem stärksten Widersacher, dem Architekturkritiker Ellsworth Toohey, (zunächst) um Ruhm und Karriere gebracht, er aber bleibt integer bis zum Schluss, wo sich für ihn durch den Freispruch vor Gericht und einen neuen Millionen-Auftrag doch noch alles zum Guten wendet.

Die Geschichte ist voll von kuriosen Tüftlern und schrulligen Visionären, die ihre Erfindung (Glühbirne, Druckknopf, Elektroauto, Tonfilm, Taschenrechner, Smartphone …) vorantrieben, einfach weil sie es konnten. Ob sich hierfür auch ein Markt ergeben würde, ob jemand diese Erfindung nutzen würde, war zweitrangig. Zuerst stand die Kreation – die als nächstes von vielen anderen verächtlich gemacht wurde.  Legendär das IBM-Chef Watson zugeschriebene Zitat: „Ich glaube, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben wird.“[5] Die gleiche Haltung traf auch Nokia, um die Jahrtausendwende Weltmarktführer auf dem Handymarkt. Die von Apple entwickelte Smartphonetechnologie beäugten die Finnen zunächst verächtlich. Bis sie vom bald allgegenwärtigen Smartphone aus dem Mobiltelefonmarkt gefegt wurden.

Wem nützen Wettbewerbe?

Ich beteilige mich prinzipiell nicht an Wettbewerben[6], lässt Howard Roark wissen. Dieses Kredo wird sich so mancher Architekt auch im Geheimen (oder im kleinen Kreis Gleichgesinnter) geloben – um dann an den Verhältnissen einzuknicken. Wettbewerbe werden landläufig als bestmögliches Instrument betrachtet, um die ideale Lösung für ein bestimmtes Problem zu finden: Die bestmögliche Ausnutzung einer vorgegebenen Fläche für die vorgesehene Nutzung, die Verwendung von bestimmten Baumaterialien, das Einfügen in den öffentlichen Raum bzw. die bestehende, umliegende Bebauung, die Einbeziehung der Nutzer/Anwohner/lauten Öffentlichkeit, und, in öffentlichen Ausschreibungen/Wettbewerben, des besten, des „wirtschaftlichsten“ Preises. Es gibt wenige Berufszweige, die so viel für den Papierkorb arbeiten wie Architekt*innen. Beflügelt von einer kniffeligen Ausgangsfragestellung setzen sie schöpferische Kraft, Zeit und Ressourcen (und kostenlose Praktikant*innen) ein, um in mühevoller Kleinarbeit zu einem Entwurf zu gelangen – und mit ihnen mehrere andere Architektenteams. Dabei kann es nur eine*n Gewinner*in geben. Manchmal wir eine*r Sieger*in eines Wettbewerbs und ein anderer Entwurf wird dann gebaut. Die Maschinerie des Wettbewerbs setzt sehr viel Kreativität frei, in ihnen können sich Architekt*innen schöpferisch austoben. Aber umgesetzt, gebaut wird nur ein Bruchteil davon, der Rest wandert in die Archive. Damit muss man umgehen können. Augen auf bei der Berufswahl.

(c) Warner Bros., 1949

Roark steht für Künstler*innen, „Bewerber*innen“ und Auftragnehmer*innen aller Art im Berufsleben, die Taten sprechen lassen (wollen), die aufgrund ihrer bisherigen Leistungen zum Zuge kommen wollen und nicht aufgrund ihrer Versprechungen für die Zukunft oder gar ihrer Anpassungsfähigkeit in einem Wettbewerb, einem Assessmentcenter und einer am Ende folgenden Verhandlung. In öffentlichen Vergabeverfahren müssen selbst Kleinhandwerker wahre Bürokratiemonster und dicke Formularkonvolute bezwingen, um an Aufträge zu gelangen. Auch dies alles freier Wettbewerb, der dem Staat und seinen Steuerzahler*innen Geld sparen soll. Da ringt es einem Bewunderung für die/den Unternehmer*in ab, der/die sagt: I would prefer not to – ich möchte lieber nicht.[7] Ich mach da nicht mit, ich beteilige mich nicht an Wettbewerben. Nimm mich oder lass es bleiben, aber stehle mir nicht meine Zeit.

In unserer heutigen Vorstellung von Demokratie und einer solidarischen Gemeinschaft / gemeinwohlorientierten Gesellschaftsordnung ist Howard Roark ein Antagonist, man denke an die Sozialwohnungen, die er aus Prinzip in die Luft jagt. Sein Streben um unbedingte Individualität und Innovationskraft wird aber insbesondere bei schöpferischen Menschen auf Resonanz stoßen, ist es doch etwas, mit dem sie täglich ringen – und täglich Kompromisse eingehen.


Ellsworth Toohey: Artistic value is achieved collectively by each man subordinating himself to the standards of the majority.

Howard Roark: The great creators, the thinkers, the artists, the scientists, the inventors, stood alone against the men of their time. Every new thought was opposed. Every new invention was denounced. But the men of unborrowed vision went ahead. They fought, they suffered, and they paid – but they won.

The creator stands on his own judgment. The parasite follows the opinions of others. The creator thinks, the parasite copies. The creator produces, the parasite loots. The creator’s concern is the conquest of nature – the parasite’s concern is the conquest of men. The creator requires independence, he neither serves nor rules. He deals with men by free exchange and voluntary choice.

imdb, abgerufen 2.11.2019.

Für wen?

  • Architekt*innen;
  • Bauherren und -frauen, Investor*innen;
  • Freiberufler*innen in kreativen Berufen (zwischen Kunst und Kunsthandwerk);
  • Künstler*innen vor dem Durchbruch;
  • Journalist*innen und Verleger*innen;
  • Menschen, die beruflich mit dem sozialen Wohnungsbau zu tun haben.

[1] Die russisch-amerikanische Bestseller-Autorin Ayn Rand gilt als glühende Verfechterin und Denkerin des reinen Kapitalismus, sie lehnte den Wohlfahrtsstaat und „Almosen“ für die Schwachen als entwürdigend ab. „In ihren Texten predigt Ayn Rand einen heroischen Individualismus, die Tugend des Eigennutzes, den Vorrang der Ratio, absoluten Atheismus und selbstsüchtige Sexualität. Ihre Feindbilder sind der Staat, die Solidarität, der Mainstream und das Mittelmaß.“ (https://www.deutschestheater.de/programm/archiv/a-e/capitalista_baby/, abgerufen 28.12.2018). Die Figur des Howard Roark dient als Rands Sprachrohr, insbesondere in dem langen Monolog am Ende des Films, als er vor Gericht steht und der tiefen Überzeugung, die ihn antreibt, Ausdruck verleihen kann.

[2] Besondere Brisanz erhält diese ‚Lösung‘ dadurch, dass es sich um ein Projekt des sozialen Wohnungsbaus handelt, um bezahlbare Wohnungen für hunderte Menschen. Was wiegt mehr? Deren Interesse, menschenwürdig zu wohnen, oder das Interesse eines Urhebers, seine Planung genau so ausgeführt zu sehen, wie er sie erdacht hat? „Ich stehe hier und sage, dass die Integrität des schöpferischen Werks eines Menschen von größerer Bedeutung ist als jegliche Wohlfahrtsbestrebung. Die Menschen, die dies nicht verstehen, sind diejenigen, die die Welt zerstören“, sagt Howard Roark, als er für diese Sprengung vor Gericht steht. (Wikipedia, abgerufen 28.12.2018)

[3] Eigentlich Alissa Sinowjewna Rosenbaum

[4] Apple-Gründer Steve Jobs war ein Künstler und Gründer von solch einem Kaliber: „Eure Zeit ist beschränkt, also verschwendet sie nicht damit, dass ihr das Leben von jemand anderem lebt. Seid nicht in Dogmen gefangen – was bedeutet, den Gedanken anderer Leute zu folgen. Lasst nicht den Lärm fremder Meinungen eure eigenen inneren Stimmen ertränken. Und am allerwichtigsten: Habt den Mut, eurem Herzen und eurer Intuition zu folgen.” Steve Jobs’ Stanford Commencement Address, 2005, zitiert nach https://www.mac-history.de/apple-people/steve-jobs/2018-12-31/ubersetzung-der-rede-von-steve-jobs-vor-den-absolventen-der-stanford-universitat-2005 , abgerufen 10.03.2019).

Zum Thema Kundenwünsche gab Jobs diese denkwürdige Maxime aus: „Du kannst nicht einfach die Kunden fragen, was sie wollen, und versuchen, ihnen das zu geben. Wenn du es fertiggestellt hast, wollen sie schon wieder etwas anderes.“ (https://www.impulse.de/management/selbstmanagement-erfolg/zitate-steve-jobs/2810983.html#, abgerufen 28.12.2018)

[5] Laut Wikipedia gibt es  aber keinen Beleg dafür. Abgerufen 28.12.2018

[6] Zitiert nach der Bearbeitung „Capitalista, Baby“ von Jürgen Kuttner und Tom Kühnel, 2011 uraufgeführt am Deutschen Theater Berlin.

[7] Herman Melville: Bartleby, der Schreiber (1853)

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