Tengoku to jigoku (1963)

In der realistischen Dokumentation von Polizeiarbeit ähnelt Akira Kurosawas „Zwischen Himmel und Hölle“ Jules Dassins „The Naked City“.

Fabrikant Kingo Gondo (Toshirô Mifune) ringt mit sich. Die trotz der Warnung des Entführers eingeschaltete Polizei agiert im Verborgenen. (c) Kurosawa Production Co.

Akira Kurosawas Zwischen Himmel und Hölle (Tengoku to jigoku, 1963) ist im Gegensatz zu seinen Historienfilmen im zeitgenössischen Japan, in Yokohama, angesiedelt. Die Buchvorlage schrieb der amerikanische Kriminalautor Ed McBain. Kurosawas Leibdarsteller Toshirô Mifune spielt den Schuhfabrikanten Kingo Gondo, der gerade einfädelt, die Aktienmehrheit seiner eigenen Firma (wieder) zu übernehmen, um so mehr Einfluss auf die Qualität von deren Schuhfabrikation zu gewinnen. Um an ausreichend Kapital für diesen geheimen Deal zu gelangen, verpfändet er seine prächtige moderne Villa auf dem Hügel und alles, was er besitzt.

In dieser Situation wird aufgrund einer Verwechselung statt seines eigenen Sohnes der seines Chauffeurs entführt. Gondo steht vor dem Zwiespalt, alles zu opfern, und das nicht einmal für sein eigenes Kind: nicht nur seinen privaten Besitz und das komfortable Auskommen der Familie, sondern vor allem sein Lebenswerk, seine Schuhfabrik. Deren Zukunft scheint besiegelt, liegt sie doch inzwischen in den Händen von rein am schnellen Umsatz durch saisonale Schuhmode interessierten Direktoren. Ohne die Aktienmehrheit kann Gondo das Steuer nicht umreißen.

In Zwischen Himmel und Hölle geht es um die da oben (die Fabrikantenfamilie in ihrer Villa auf dem Hügel, im Himmel) und die da unten (der Entführer in den Slums am Fuße des Hügels, in der Hölle). Die Hölle, das ist auch die Hölle von Zorn und Ungerechtigkeitsempfinden des Entführers Takeuchi, von Drogenhöllen und Vergnügungsbars, in denen die amerikanischen Weltkriegssieger und Besatzer mit den Einheimischen fraternisieren und diese schleichend amerikanisieren. Auch der Chauffeur Aoki, Vater des entführten Jungen, steckt in der Hölle, der Hölle der Subalternen, fest: Er ist machtlos, auf Gedeih und Verderb auf die Großzügigkeit und das moralische Verhalten seines Chefs angewiesen, obwohl sein Sohn nur zufällig in die Rolle des Opfers geraten ist, gleichsam „unschuldig“ (wobei auch den Fabrikantensohn ja keine „Schuld“ träfe). Er reagiert mit Erstarrung, mit der Flucht nach innen, wo der Entführer Wut und Zorn expressiv ausdrückt.

Der in Cinemascope gedrehte Schwarz-Weiß-Film spielt zu einem großen Teil kammerspielartig in den Innenräumen der Villa. Wenn die Kamera den in mühsamer Kleinarbeit und mit viel detektivischem Gespür ermittelnden Polizisten auf die Straßen und in die einfachen Behausungen der Hafenstadt Yokohama folgt, erzeugt Zwischen Himmel und Hölle ein fiebriges Flair und dokumentiert eine realitätsgetreue Zeitaufnahme Yokohamas ebenso wie der Polizeiarbeit, wie es 15 Jahre zuvor Jules Dassin mit The Naked City und New York City gelang[1].

Achtung: Spoiler!

Der ehrbare Kaufmann Kingo Gondo findet nach langem Ringen mit sich einen Ausweg aus seinem Dilemma: Er bezahlt das Lösegeld, schlägt alle schlecht gemeinten Angebote seiner alten Firma aus, die nur ihren Ruf und vor allem ihr Geschäft retten will, und fängt noch einmal ganz von vorne an (auch wenn das Lösegeld später gefunden wird). Er gründet eine Schuh-Manufaktur, in der er anwenden kann, was er schließlich von der Pike auf gelernt hat: Qualitativ hochwertige Schuhe mit seinen eigenen Händen herzustellen, die unberührt von kurzfristigen Moden sind und lange halten.  


Tengoku to jigoku (Zwischen Himmel und Hölle; High and Low). JPN, 1963. Regie: Akira Kurosawa. Romanvorlage: Ed McBain.


[1] Noch ein Spoiler: Hier wie dort stirbt am Ende der Täter. Nicht auf der Flucht wie in The Naked City, sondern auf dem elektrischen Stuhl. Verurteilt nicht wegen der Entführung selbst, sondern weil er dabei Mitwisser umgebracht hat.

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