Für seine Story um einen Kaufhaus-Weihnachtsmann, der behauptet, der echte Weihnachtsmann zu sein, fährt Miracle on 34th Street (Das Wunder von Manhattan, 1947) wie beiläufig eine so moderne wie zeitlose Entourage auf: Die geschiedene berufstätige Mutter in einer Führungsposition[1], die nicht an Märchen, weiße Prinzen und schon gar nicht an den Weihnachtsmann glaubt, und die Ratio zum wichtigsten Erziehungsprinzip für ihre Tochter macht.
Sie hat ein Büro für sich allein, eine Sekretärin und eine gleichberechtigte berufliche Beziehung zu ihrem direkten Vorgesetzten respektive Abteilungsleiterkollegen, wuppt die Thanksgiving-Parade des New Yorker Kaufhauses Macy’s und engagiert eigenständig alle die Personen, die dafür notwendig sind – inklusive des Kaufhaus-Santa Claus. Im Zweifelsfall kann sie den Betriebsarzt zu Rate ziehen (eine fatale Entscheidung), trifft ihre Personaleinstellungen aber autonom und nur ihrem Gewissen und dem Unternehmen verpflichtet.
Zuhause am Central Park West[2] kümmert sich ein Hausmädchen um Küche und Tochter. Mit der kleinen Tochter (Natalie Wood) helfen auch zwei nette Männer[3]: Der idealistische, romantische Nachbar und Anwalt, der auf diese Weise das Herz der Mutter gewinnen will (aber nur, wenn diese auch ein bisschen Unvernunft walten lässt) und Kris Kringle, wohnhaft in einem Altersheim, jetzt Kaufhaus-Santa – und sowieso der wahre Santa, der Heiligabend natürlich zu tun hat.
Wie es sich für einen klassischen Weihnachtsfilm gehört, wird hier der warme Geist und der unerklärliche Zauber von Weihnachten beschworen und der pure Kommerz beklagt, von dem der Weihnachtsmann sich bereits 1947 „seit 50 Jahren“ zunehmend verdrängt fühlt. Als er den Kund*innen rät, manche Weihnachtsgeschenke besser bei der Kaufhaus-Konkurrenz zu erwerben, weil diese dort von besserer Qualität seien, wird das von den Kund*innen überrascht und mit herausragendem Erfolg aufgenommen. Das Kaufhaus macht einen Riesensatz in puncto Glaubwürdigkeit, die Umsätze steigen, eben weil die Kund*innen sich hierdurch bei Macy’s gut aufgehoben fühlen und gerne wiederkommen. Später übernehmen alle anderen Kaufhäuser in New York und bald auch in Filialen im ganzen Land dieses Prinzip des besten und glaubwürdigsten Services für ihre Kund*innen. Gut für Weihnachtsmann-Chefin Doris Walker (Maureen O’Hara), dass die Kund*innen Dankesbriefe an den Kaufhaus-Direktor schicken – und dieser seine Angestellte nicht nur für so eine schlaue Werbestrategie lobt (und dies sogar, ohne sich mit der Werbe-Abteilung abzusprechen[4]), sondern auch umgehend mit einer Prämie bedenkt (wie auch den Weihnachtsmann selbst).
Arbeitende Frau im Luxus
Ein ähnlich ungewöhnliches berufliches Setting entwirft The Bachelor and the Bobby-Soxer (So einfach ist die Liebe nicht, 1947) aus dem gleichen Produktionsjahr. Hier spielt Myrna Loy eine Richterin[5], deren minderjährige Schwester (Kinderstar Shirley Temple in einer ihrer wenigen Teenager-Rollen) in einen Luftikus (Cary Grant) verknallt ist. Er landet vor ihrem Gericht, sie verdonnert ihn dazu, dem Backfisch die Flausen auszutreiben. Privat führt die Richterin ein elegantes Leben in der gehobenen Gesellschaft[6]. Sie lebt mit ihrer Schwester, deren Vormund sie ist, in einer Villa, und hat (mindestens) eine Haushälterin, die sie morgens aus dem Bett wirft.
- Miracle on 34th Street (Das Wunder von Manhattan). USA, 1947.
Regie: George Seaton, Buch: George Seaton, Valentine Davies - The Bachelor and the Bobby-Soxer (So einfach ist die Liebe nicht). USA, 1947. Regie: Irving Reis. Buch: Sidney Sheldon.
[1] Die imdb bezeichnet ihren Job als ‚special events director‘.
[2] Heute keine Wohngegend für Kaufhausangestellte, sondern von Milliardären. Hier wohnten auch John Lennon und Yoko Ono.
[3] Dass ein kleines Mädchen einfach so zum der Mutter nicht persönlich bekannten Nachbarn hinübergeht und mit ihm Ausflüge unternimmt, ist eine erzählerische Linie, die wir Zuschauer*innen von Heute ungläubig, aber weihnachtlich erfreut betrachten.
[4] Santa Claus und seine Vorgesetzte haben damit unbeabsichtigt eine Businessmaxime bestätigt, die der Informatikerin Grace Hopper zugeschrieben wird, und die sich darauf bezieht, wie Veränderungen in Unternehmungen umgesetzt werden können: „Es ist immer einfacher [hinterher] um Entschuldigung zu bitten, als [vorher dafür] eine Genehmigung zu bekommen.“ (Wikipedia, abgerufen 14.12.2018)
[5] Die Richterinnen-Rolle füllt Myrna Loy in den 1940er Jahren ganz selbstverständlich mit Leben. Hat es solche Richterinnen aber in der Realität gegeben? Sieht man den aktuellen Kinofilm „Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit“ (On the Basis of Sex, 2018) über die Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg oder die Dokumentation „RGB“ (2018), dann scheint in den USA das Richteramt für Frauen bis in die 1960er Jahre hinein nicht ohne Weiteres erreichbar gewesen zu sein.
[6] Heute würde ich annehmen, dass die beiden Schwestern vermögend zur Welt gekommen sind und geerbt haben. Beim ersten Sehen (mit 12, im Fernsehen, eine kleine – die einzige! – Shirley-Temple-Retrospektive im ZDF) war ich fasziniert davon, welchen Luxus sich die Richterin mit ihrem Beruf erarbeitete.