Joy: Alles außer gewöhnlich (2015)

Die Farce Joy führt stark überzeichnend vor, wie viel härter jemand kämpfen muss, dem die Chancen auf materiellen Wohlstand und eine kreative Laufbahn als Problemlöserin nicht in den Schoß gefallen sind.

Joy (Jennifer Lawrence) steht als Entrepreneurin komplett ohne Unterstützung da, verkörpert aber den amerikanischen Traum von der Self-Made-Millionärin, der das mitnichten in die Wiege gelegt war (außer der Intelligenz und dem Talent). Zwar hat sie schon als Kind vor allem mit ihren Händen „gedacht“ und nützliche Dinge erfunden, gezeichnet und Prototypen gebastelt – etwa ein leuchtendes Hundehalsband mit Klettverschluss. Aber es ist ein langer, steiniger Weg, der Joy vom maroden Elternhaus in Long Beach, Long Island, bis zur Dynastie mit „hunderten bahnbrechenden Patenten“ führen wird – und auf dem sie sich eisern und gegen buchstäblich alle Widerstände durchbeißt. 

Selbst ist die Frau: Jennifer Lawrence als Joy im Teleshoppingkanal QVC

Die ersten Brocken schmeißt ihr ihre entsetzlich schreckliche Familie in den Weg:  Die Mutter (Virginia Madsen) sitzt der Welt entrückt den ganzen Tag im Bett und schaut ihre Lieblingssoap, der geschiedene Vater (Robert de Niro) ist jähzornig und zerstörerisch, der Exmann ein brotloser Musiker, den Joy im Keller einquartieren musste – und ihren Vater gleich mit. Die Halbschwester macht alles mies, was Joy tut und plant, und die neue Frau an Vaters Seite, Trudy (Isabella Rossellini), hat zwar massig ererbtes Geld, das sie jedoch nur mit zweifelhaften Knebelverträgen verleiht.

Alle schauen zu Joy – etwa, wenn ein Rohr im Haus zu reparieren, die Buchhaltung fürs Vaters Autoschlosserei zu erledigen ist oder Essen auf den Tisch kommen soll. Für den Unterhalt des Familienhauses und der kleinen Kinder muss sie jedoch mit einem miesen Flughafenjob allein aufkommen. In dieser zerrütteten Familie kamen ihre frühen Basteleien und Erfindungen unter die Räder, weil ihr Vater wüst darauf einschlug und ihre Mutter sich nicht um Patente kümmerte. Später verließ Joy als Jahrgangsbeste die High School und hatte einen guten Collegeplatz sicher, kehrte aber nach Hause zurück, um sich nach deren Scheidung um die hilflose Mutter zu kümmern. Einzig Großmutter Mimi (Diane Ladd) sieht, was in ihr steckt, spricht ihr Mut und Durchhaltewillen zu und prophezeit: „Ich werde noch sehen, dass du eine erfolgreiche Matriarchin werden wirst.“

In der Farce Joy: Alles außer gewöhnlich steht die Protagonistin quasi allein in einer feindlichen Umwelt. Das macht ihren späteren Aufstieg umso fabelhafter. Hier haben wir nicht die Heldin mit Akademiker-Eltern, die für eine gute Bildung sorgen und in jeder Lebenslage unterstützen und motivieren. Hier sind die Eltern vielmehr überfordert von ihrem Leben, sie sind nicht nur sozial schwach aufgestellt, sondern vor allem in familiärer Bindungshinsicht Versager. Der Vater arbeitet hart, aber nicht smart, und hat als Geschäftsmann „ziemlich Pech gehabt“. Später wird er Bilanz ziehen und sagen: „Es war mein Fehler, dass sie sich einbildet, dass sie mehr ist als sie ist.“ Aber Joy ist tatsächlich mehr, mehr, als ihre Sippe sie glauben machen will.

Joy beißt sich durch

Und sie ist dabei cleverer als ihre Bagage, der sie weit über das Erträgliche die Treue hält. Als sie mit Familie, Haus und Job ganz am Boden ist, verschafft ihr ein Malheur auf einem Familienausflug eine Eingebung: Herkömmliche Wischmopps, die man mit der Hand auswringt, sind nicht hilfreich, wenn man neben einer Flüssigkeit auch Glasscherben aufwischen muss. Diese Erkenntnis weckt ihren schlummernden Erfindergeist. Zuhause macht sie sich daran, einen Wischmopp mit einer bis dato ungekannten Saugfähigkeit zu entwickeln, der eine mechanische Vorrichtung aufweist, mit der man ihn auswringt. Um einen Prototypen herzustellen, braucht sie Geld. Dies leiht ihr schließlich Trudy, drängt aber Joy aufgrund angeblich bestehender Patente in einen unvorteilhaften Vertrag mit einem Lizenzgeber und Produzenten. Joy muss sich darauf verlassen, dass der Geschäftsanwalt von Trudy Ahnung von der Materie hat. Ein Irrglaube. Später, als klar wird, dass er sie nicht klug beraten hat, wird Trudy lapidar sagen: „Er hat sich geirrt. Sowas passiert in der Geschäftswelt.“

Zunächst aber kann Joy ihren Wischmopp in einer kleinen Auflage produzieren. Als sie ihn vermarkten will, scheitert sie vorerst an den nächsten Barrieren in der Geschäftswelt: Die Geschäfte nehmen nur Produkte großer Produzenten ins Angebot, prominente Platzierungen im Schaufenster gibt es gegen Geld, und im Grunde besteht auch aus Händlersicht kein Bedarf an einem Wischmopp, der Anfang der 1990er Jahre 20 Dollar kostet, und den man sobald nicht durch einen neuen Kauf ersetzen muss.

Schließlich bekommt Joy doch ihre Chance und einen Fuß in die Tür des gerade gegründeten Teleshoppingkanals QVC. Verkaufsleiter Neil Walker (Bradley Cooper) glaubt an sie und nimmt den Mopp ins Sortiment. 50.000 Stück soll sie bis zur Sendung produzieren – wofür sie abermals ein Darlehen von Trudy erhält, aber nur, nachdem sie eine 2. Hypothek auf ihr Haus aufgenommen hat. Die erste Platzierung im Sender floppt, weil der Starverkäufer von QVC nicht recht weiß, wie er einen Haushaltsgegenstand sinnvoll anpreisen soll, so dass er bei den zuschauenden Hausfrauen auch ankommt. Der Erfolg stellt sich erst ein, als Joy Neil davon überzeugt, sie selbst vor die Kamera zu lassen. Ihre Authentizität als Mutter kleiner Kinder, die ihren Haushalt mit dieser praktischen Erfindung spürbar leichter wuppt, macht den Mopp zum Verkaufsschlager, die Telefone glühen, Sendung über Sendung gehen zehntausende Mopps über den virtuellen Ladentisch.

Mit dem Erfolg kommen die Neider

Der Mopp-Produzent will mehr Geld herausschlagen, der angebliche Lizenzgeber ist ein Betrüger, Halbschwester Peggy trifft in Joys Namen (aber ohne ihr Einverständnis) wirtschaftlich und rechtlich katastrophale Entscheidungen, die Familienbande setzt ihr zu, und sie soll in erster Linie Trudy das Darlehen zurückzahlen, von Geld, das sie nicht hat – und wodurch sie ihr Haus verliert. Das Blatt wendet sich erst, als Joy den gordischen Knoten durchschlägt und aufhört, auf ihre Loser-Familie zu hören[1]. Sie nimmt ihre Geschicke in die eigene Hand. Am Ende wird sie ihr eigenes Imperium aufbauen, in dem sie viele weitere nützliche Erfindungen macht und auch Erfindungen anderer großzügig fördert – auch die von Vater Rudy, Stiefmutter Trudy und Halbschwester Peggy, die diese aber allesamt in den Sand setzen.

Joy ist im Grunde eine Aschenputtel-Geschichte, denn so viel schlimme Familienentourage war selten in einem Film. Die dysfunktionalen Familienbande sind dennoch stark; sich davon zu lösen, kommt auch der schließlich erfolgreichen Joy nicht in den Sinn. Sie hört auf sie, sie lässt sich beraten, sie geht Deals ein, die ihr der selbst wenig erfolgreiche Vater an der Seite seiner reichen Freundin aufschwatzt. Bei der ersten TV-Präsentation ihres Mopps versammelt sich die gesamte Familie im heimischen Wohnzimmer, um, als es kein Erfolg wird, zu jammern, dass man es schon immer gewusst habe und was Joy nun machen wolle, um das Geld zu retten. Aber sie ist zäh. Schon am Boden, die Insolvenzerklärung bereits unterschrieben, zu der ihr Vater sie drängt, fällt ihr doch noch etwas ein, das sie prüfen kann – und das die Wende bringen wird.

Eine sozial, gesellschaftlich und geschäftlich unsichere Familie ist ein äußerst schlechter Ratgeber.

Joy führt aber auch – in der Figurenzeichnung schon Satire – vor, wie viel härter jemand kämpfen muss, dem die Chancen auf materiellen Wohlstand und eine kreative Laufbahn als Problemlöserin nicht in den Schoß gefallen sind. Talent und Intelligenz in der Umsetzung ist das eine, auch das vielleicht geborene Sprachtalent für die überzeugende TV-Karriere. Aber an Geld heranzukommen, kluge Verträge abzuschließen, sich nicht auf halbseidene Ratschläge und Geschäftspraktiken einzulassen, das lernt man eher in der Familie bzw. in der gesellschaftlichen Schicht, in der man sich bewegt. Eine sozial, gesellschaftlich und geschäftlich unsichere Familie ist ein äußerst schlechter Ratgeber. Es wird auf Sicherheit gedrängt, wo andere richtigerweise pokern; der Spatz in der Hand wird der Taube auf dem Dach vorgezogen; und wo das Geld ist – hier bei der schrillen Trudy, die das auch nur von ihrem Mann ererbt hat -, liegt das Recht, die Macht, der längere Hebel.

Joy basiert sehr lose auf dem Leben von Joy Mangano[2], die sich von der ihr vorbestimmten traditionellen Rolle als Hausfrau und Mutter zur Erfinderin und Teleshopping-Queen hochgearbeitet hat.[3] Die echte Joy Mangano hat im Gegensatz zur Film-Joy allerdings die Universität besucht und einen Abschluss in Betriebswirtschaft[4].

Für wen?

  • Gründer*innen; Erfinder*innen;
  • Familien (um dann das Gegenteil davon zu tun);
  • Investoren.

Joy: Alles außer gewöhnlich (USA, 2015). Buch & Regie: David O. Russell


[1] Joy zu Peggy: „Sprich nie wieder in meinem Namen über meine Geschäfte.“

[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Joy_Mangano

[3] Die reale Joy Mangano gibt’s in Werbeclips bei YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=q3koP6PQUmM. David O. Russel betrachtet Joy nicht als wirkliche Biografie von Mangano, sondern hat sich eher inspirieren lassen. Das ursprüngliche Script erweiterte er um viele fiktionale Figuren und Handlungsstränge.

[4] https://madamemoneypenny.de/joy-mangano/ (abgerufen 27.1.219)

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