Isn’t it romantic? (2019)

Du bist der Fußabtreter im Büro? Nach einem Ausflug in ein bonbonfarbenes Paralleluniversum nicht mehr!

Natalie (Rebel Wilson) – ungläubig – auf dem Weg ins Office. Isn’t it romantic. © Netflix

Als Architektin Natalie (Rebel Wilson) morgens das Großraumbüro betritt, geht sofort die Misere los, die ihr Leben bestimmt: Ein Kollege drückt ihr Müll in die Hand, den sie doch bitte auf dem Weg zu ihrem Platz entsorgen soll, die Büromanagerin kommt mit dem 3D-Drucker nicht klar und delegiert – nicht zum 1. Mal – diese Aufgabe an Natalie zurück, die das ja letztens auch prima gefixt bekommen habe.

Und als sie den Sitzungsraum betritt, in dem sie gleich vor einem neuen Kunden eine wichtige Präsentation halten soll, greift dieser (Liam Hemsworth) ungefragt nach dem Kaffeebecher in ihrer Hand, bedankt sich, trinkt davon und beschwert sich, dass dort Schlagsahne drin sei. Obwohl sie nicht der/die zuständige Assistent*in ist, lässt sich Natalie wieder rausschicken, um „richtigen“ Kaffee zu besorgen, nachdem ihr Boss ihr wilde Zeichen macht.

Später am Tag wird Natalie sich den Kopf anschlagen und in einem Traum aus Rosa erwachen, was, wie sie bald erkennt, nicht die Realität, sondern nur eine verf****te Liebeskomödie sein kann. Morgens hatte sie sich noch lang und breit gegenüber ihrer Assistentin Whitney (Betty Gilpin) ausgelassen, die ihre Bürotage damit zubringt, genau diese Liebesfilme anzuschauen; Natalie kann dem Genre nicht nur nichts abgewinnen, sie verabscheut es – zu viele Klischees, zu viele unwahrscheinliche Wendungen, alles total unrealistisch. Und wie verhext, weil sie so verächtlich ihre Meinung kundgetan hat, ist sie nun gefangen in einem weichgezeichneten New York voller Blumenarrangements und heimeliger Cupcake- und Brautkleidläden, ein New York, das nicht mal mehr stinkt wie normalerweise. Hier wohnt sie plötzlich in einem riesigen Apartment[1], nennt einen gut gefüllten begehbaren Kleiderschrank ihr Eigen, für den Carrie Bradshaw gemordet hätte, und wird umschwärmt von Love Interest Blake (Hemsworth). Das Büro ist schick-modern und geräumig und alle sind sooo nett zu ihr, lösen ihre Probleme allein und behandeln sie als die Superarchitektin des Büros. Außer Whitney, die nicht mehr ihre Assistentin-Freundin ist, sondern – Klischee! – eine verfeindete Zicken-Kollegin[2].

Meta-Liebeserklärung an die Rom Com

Die Netflix-Produktion Isn’t it romantic ist eine Meta-Liebeserklärung an das Genre der Rom Com, der romantic comedy. Sie tut dies mit den Mitteln der Selbstreferentialität[3] und integriert Plotstränge und Motive der Ikonen dieses Genres und seines Standard-Personals in die Filmerzählung und -inszenierung. Das Besondere ist, dass sich Natalie mehr oder weniger darüber im Klaren ist bzw. es schnell wird, dass dies alles nicht real, sondern ein überzeichnetes Paralleluniversum ist. Anders als etwa in House of Cards teilt Natalie ihre Gedanken über diese schöne neue Welt aber nicht mit der vierten Wand, also dem Bildschirm bzw. der/dem Zuschauer*in, sondern mit ihren jeweiligen Szenenpartner*innen. Sie erklärt Whitney, dass diese nicht klischeemäßig mit ihr verfeindet sein müsse, freut sich, dass best buddy Josh noch „der Alte“ sei und bescheinigt dem Arzt, dass dies nicht die Notaufnahme sein könne, sondern wohl eher „Schöner Wohnen“.[4]

Den meisten Meta-Stoff zieht Isn’t it romantic aus dem Rom-Com-Klassiker My best friend’s wedding (1997)[5]. Ebenso wie dort muss die Heldin hier eine Hochzeit aufhalten, wird Karaoke gesungen, fallen Gäste und Passant*innen in perfekte Chorgesänge[6] und Tanzchoreographien[7] ein.

Der schwule Freund darf in keiner Rom Com fehlen

Und ebenso wie dort hilft der schwule Freund aus der Patsche. Die Szenen zwischen Natalie und Donny sind Highlights der Metaebene. Während Freund George in My best friend’s wedding immerhin Jules‘ Boss ist, ist Donny (Brandon Scott Jones) in der realen Welt einfach nur Natalies unauffälliger Nachbar (ohne definierten Beruf, … nein, halt, er vertickt Gras!). In der rosa Traumwelt taucht er in mehreren Szenen unmotiviert wie aus dem Nichts auf und gibt dort den affektierten Rom-Com-Schwulen, der dauernd „Oh, my God“ kreischt, Natalie natürlich bei der Zusammenstellung ihres Outfits helfen muss oder sie in die Kirche schickt. Sie kommentiert dies mit „Du klingst wie ein Alien, der vorgibt, schwul zu sein“ oder „oh, jetzt kommt gleich die Anprobe-Szene, nein, da mache ich nicht mit“.

Auch Donny reflektiert darüber, dass er eigentlich eine erdachte, überzeichnete Figur ist, die nicht einmal einen Job oder eigene Pläne hat: „I’m gonna drop you off at the office on the way to my no plans whatsoever!“, sagt er zu Natalie.

Schnitt zu einer Fahrt auf seiner roten Vespa über die Manhattan Bridge:

Natalie: Is this how you normally get to work?

Donny: If I had a job, yeah!

Diese Szene illustriert erstklassig, dass eine Filmfigur neben einem Namen auch einen Beruf benötigt, um mehr als Staffage zu sein. Oder dass sie wenigstens darüber nachdenken muss, was eigentlich ihr Lebenszweck – für diesen Film – ist. Donny in einer Szene, in der Natalie sich fragt, was sie zum Date mit Blake anziehen soll: „Oh, my God! This is it. Oh, my God, this is it. This is the moment I’ve been training for my entire life.“ Sein ganzes Rom-Com-Leben lang.

In der Traumwelt findet nicht nur alle Welt, besonders Milliardär Blake, Natalie betörend[8] und wunderschön und betrachtet sie außerdem als erfolgreiche, als Star-Architektin, sondern es gibt auch ein schönes Büro und freundliche männliche Kollegen, die ihr „in die Augen schauen“ (verrückt!). Zurück im richtigen Leben hat Natalie ihre Lektion in Sachen Selbstwertgefühl und Sichtbarkeit gelernt[9]. Sie pariert ihren schrecklichen Kolleg*innen, im Meeting sagt sie direkt, dass sie nicht fürs Kaffeeholen zuständig ist und präsentiert unaufgefordert (und ihrem Boss dabei über den Mund fahrend) ihren grandiosen Plan für Blakes Hotel (bzw. erstmal nur dessen Parkhaus, das sonst immer unsichtbar und abschreckend bleibe). Auch gegenüber ihrer Assistentin Whitney setzt sie neue Grenzen und sagt ihr, dass sie künftig nicht mehr den ganzen Tag Filme gucken könne[10].

Und ihren Kaffee geht sie sich dann selbst holen (damit es ein Rom-Com-gemäßes Filmende geben kann).


Für wen?

  • Angestellte, die sich am Arbeitsplatz als Fußabtreter behandelt fühlen (bzw. behandeln lassen);
  • Mädchen (egal welchen Alters), die versuchen, es jedem recht zu machen, um gemocht zu werden und bloß nicht anzuecken[11]
  • Architekt*innen, ihre Projektleiter*innen und Assistent*innen;
  • Assistentinnen und ihre Chefinnen

Isn’t it romantic. Netflix USA, 2019. Regie: Todd Strauss-Schulson, Story: Erin Cardillo, Buch: Erin Cardillo, Dana Fox, Katie Silberman

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[1] Hier findet sich auch ein komfortabel ausgestatteter Heimarbeitsplatz, an dem Architektin Natalie ihrer Präsentation den letzten Schliff geben kann.

[2] Okay, dieses Klischee hatte ich bisher selbst nicht so wahrgenommen. Ich kannte eher das Motiv der besten Freundin/Kollegin/Chefin, der sich die Heldin in jeder Lage anvertrauen kann. Oh, wait, eine Ausnahme bildet natürlich Katharine Parker, aber dieses Chefin-Mitarbeiterin-Verhältnis ist ja ein wesentlicher Handlungsstrang in „Working Girl“. In „My best friend’s wedding“ hat Jules nur männliche Freunde und keine Kolleg*innen.

[3] Zur Erörterung des Begriffs der „Selbstreferentialität im Film“ siehe z.B. https://www.grin.com/document/165614

[4] Später im Film kommt diese Szene erneut vor: Natalie erwacht im Krankenhaus, ein attraktiver Mann im Blaukittel beugt sich über sie – und wird gleich von einem älteren Mann im Weißkittel hinausgeschickt: Er habe sich wohl im Raum geirrt, die TV-Serie werden im Raum nebenan gedreht.

[5] Julia Roberts in „Pretty Woman“ ist auch ein frühes Idol der jungen Natalie, was ihrer Mutter Anlass gibt, die Saat für Natalies späteren Liebes-Zynismus zu säen.

[6] „I wanna dance with somebody“ von Whitney Houston.

[7] „Express Yourself“ von Madonna.

[8] Blake schwärmt in jeder Szene, Natalie sei so „beguiling“. Sie fragt: Hast du das Wort gerade erst gelernt oder warum musst du es so häufig verwenden?

[9] In Runaway Bride muss Julia Roberts auch erst lernen, was sie wirklich im Kern selbst will und ausmacht, und was nicht nur von außen – etwa von verschiedenen Bräutigamen – über sie gestülpt wurde. Natalie befindet sich in einer ähnlichen Situation. So meint Blake, dass Natalie als seine Frau sowohl ihren Vornamen als auch ihren Beruf aufgeben soll. Undenkbar! In Isn’t it romantic wird das Muster der Rom-Com also um das Ideal der selbstverständlichen und erfüllenden Berufsausübung erweitert. Jules in My best friend’s wedding sieht man nach der Eingangsszene im Restaurant (sie ist Gastrokritikerin) nie wieder bei der Arbeit.

[10] Whitney: I can stop whenever I want. They’re unimportant to me. How about one a day? Natalie: How about none a week?

[11] Zur Problematik von „likability“ siehe hier: „Chimamanda Ngozi Adichie says likability is bullshit“, https://qz.com/414456/chimamanda-ngozi-adichie-says-likability-is-bullshit-and-shes-100-right/?fbclid=IwAR0mMDkC94j2YzM_McJRFaUD9J3AkMZUZSX6ecWIlzNB9ddHTkVr0CyBR8U

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